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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.06.2018 - Ausgabe: 3/2018

Gesundheitsrisiken auf dem Sportplatz? – Verwendung von SBR Granulaten unter der Lupe

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SBR-Granulate auf Kunstrasensportplätzen sind seit längerer Zeit in der Kritik. Vor allem aufgrund der potentiell krebserzeugenden „Polyzyklische Aromatischen Kohlenwasserstoffe“ (PAK), die darin enthalten sind. Die Aufmerksamkeit auf diese Belastung hat vor einiger Zeit zunächst für viel Unruhe gesorgt, dies wurde dann aber von verschiedenen Stellen erstmal relativiert. Im Folgenden findet sich ein Überblick über die Problematik.

Ende 2016 standen die SBR-verfüllten Kunstrasenplätze plötzlich im Rampenlicht. Durch den Beitrag „Gevaarlijk spel“ (Gefährliches Spiel) der niederländischen Fernsehsendung „Zembla“ wurde die breite Öffentlichkeit auf eine PAK-Belastung von Kunstrasensportplätzen aufmerksam gemacht. Aufgrund der möglichen schwerwiegenden Konsequenzen für die Nutzer dieser Sportareale wurden daraufhin zahlreiche Fußballplätze in den Niederlanden geschlossen, der Amateurfußball stand vielerorts still. Erst allmählich und nach einigen Tests wurde von Regierungsseiten Entwarnung gegeben, die Belastung sei zwar da, aber alles im Rahmen bestehender Vorschriften.  Damit war das Thema zwar vorerst vom Tisch, abschließend geklärt ist es aber bis heute noch nicht.

Was sind eigentlich Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)?

PAKs entstehen bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material wie Öl, Kohle oder Holz. Dabei können sie sowohl durch natürliche Prozesse (Vulkanausbruch etc.), Industrieprozesse oder im privaten Gebrauch freigesetzt werden, beispielsweise beim Rauchen oder Grillen. Außerdem sind sie in vielen Weichmachern enthalten, die zur Herstellung von Produkten des täglichen Verbrauchs genutzt werden –unter anderem in Werkzeug, Kleidung oder auch Spielzeug. Problematisch ist, dass eine Gruppe von acht Varianten von PAKs wissenschaftlich als giftig und potentiell krebserregend eingestuft wurde, zwei von ihnen auch als potentiell erbgutschädigend. Am meisten in der Diskussion ist Benzo(a)pyren, welches die meisten negativen Eigenschaften aufweist.  In den SBR-Granulaten ist Benzo(a)pyren genauso wie viele andere der gesundheitsschädlichen PAKs enthalten. SBR steht für Styrol-Butadien-Kautschuk, der synthetisch hergestellt vor allem zur Produktion von Autoreifen genutzt wird. SBR-Granulate selbst werden aus recycelten Altreifen hergestellt. Sie sind im Vergleich zu anderen Granulaten besonders günstig im Preis und werden daher sehr oft auf Kunstrasenplätzen verwendet.

Welche Vorschriften gibt es?

Durch die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen bei der Verwendung von PAKs, gibt es verschiedene gesetzliche Verordnungen, die den Umgang mit den Kohlenwasserstoffen eingrenzen. Zunächst ist da einmal die REACH-Verordnung, eine Verordnung der EU, die die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien in Europa regelt. Dort gibt es bei Verwendung für jeden einzelnen PAK einen zulässigen Höchstwert, der bei der Herstellung von PAK-haltigen Produkten nicht überschritten werden darf. Allerdings werden zwei unterschiedliche Klassen von Produkten mit sehr unterschiedlichen Höchstwerten unterschieden, einmal „Gemische“ und einmal „Erzeugnisse“. Die Definition was Gemisch ist und was Erzeugnis ist sehr speziell und meist nicht eindeutig. Offiziell ist etwas ein Erzeugnis, wenn seine „spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt“ die spätere Funktion in größerem Maße definiert als seine chemische Zusammensetzung. Ist es umgekehrt spricht man dann von einem Gemisch. Was so banal klingt, hat auf die zulässigen Höchstwerte an PAKs große Auswirkungen. In „Gemischen“ (REACH-Eintrag 28-30, Anhang XVII)  ist jeweils eine 100 bis 1000fach größere Menge an gefährlichen PAKs zulässig als in „Erzeugnissen“ (REACH-Eintrag 50/5, Anhang XVII). Dies gilt auch für das besonders schädliche Benzo(a)pyren, (Gemisch höchstens 100 mg/kg, im Erzeugnis höchstens 1 mg/kg). Während viele PAK-haltige Produkte des täglichen Gebrauches wie Kleidung oder Spielzeug als Erzeugnisse eingestuft werden – für Spielzeug gilt seit kurzem sogar nur 0,5 mg/kg als zulässiger Höchstwert – wird das SBR-Granulat auf Kunstrasenplätzen als Gemisch eingestuft. Dies bedeutet, dass die Belastung mit Benzo(a)pyren beispielsweise bis zu 200fach höher sein darf als in Kinderspielzeug.

Neben der REACH-Verordnung werden aber auch die Luft und die Böden auf PAK-Belastungen untersucht. In der Bundesbodenschutzverordnung gibt es ebenfalls zulässige Höchstwerte für Benzo(a)pyren, die je nach Nutzen der Fläche unterschiedlich ausfallen. In Anhang 2, Ab.1.4 ist der erlaubte Höchstwert bei Kinderspielplätzen bei 2 mg/kg in der Trockenmasse, in Wohngebieten bei 4 und auf Sportplätzen bei 10.

Was ist bisher passiert?

Nach den Berichten aus den Niederlanden wurden europaweit SBR-verfüllte Kunstrasenplätze auf ihre PAK-Belastung hin untersucht. Dabei kamen ganz unterschiedliche Ergebnisse zutage, die jeweils geltenden Höchstwerte (für Gemische) wurden aber nicht überschritten. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat sich ebenfalls im Auftrag der Europäischen Kommission dem Thema angenommen und dann Anfang 2017 Ergebnisse ihrer Untersuchungen bekannt gegeben. Dabei hat sie „keinen Grund gefunden, um Menschen vom Treiben von Sport auf Kunstrasen, der recyceltes Gummigranulat als Füllmaterial enthält, abzuraten.“ Die Konzentration von PAKs war nirgendwo auffällig gewesen und der Grad an Bedenken, so die Behörde, sei sehr niedrig. Ein abschließender Bericht langfristiger Untersuchungen steht allerdings bis heute noch aus. Allerdings empfiehlt die ECHA eine spezifische Änderung der REACH-Verordnung im Hinblick auf PAK-Gehalte in Gummigranulaten, regelmäßige Messungen von Belastungen von SBR-verfüllten Kunstrasenfeldern, eine weitgehende Zusammenarbeit von Herstellern und Verbänden sowie eine gute Belüftung von Sporthallen mit SBR-verfülltem Kunstrasen. Außerdem sollen Sportler nach dem Sport Körper, Ausrüstung und Kleidung von Granulaten befreien, den Körper und vor allem die Hände gründlich Waschen und auf keinen Fall Granulatteile verschlucken.

Welche Fragen bleiben offen?

Obwohl die PAK-Belastung SBR-verfüllter Kunstrasenplätze erstmal den bestehenden Regelungen und Verordnungen entspricht, so bleiben aber dennoch einige Fragen offen. Vor allem die Einordnung des Granulats in der REACH-Verordnung und die damit verbundenen gewaltigen Unterschiede in den Höchstwerten, sollten Bedenken erzeugen. Denn die vorhandenen Messergebnisse auf den Kunstrasenplätzen haben Belastungen mit den acht gefährlichsten PAKs ergeben, die zwar weit unter dem Grenzwert für Gemischen liegen, aber würde das Granulat als Erzeugnis eingestuft werden, wären die Grenzwerte deutlich überschritten. Beim besonders kritischen Benzo(a)pyren wurden Belastungen von bis zu 2,38 mg/kg festgestellt, als Erzeugnis wären hier nur höchstens 1mg/kg erlaubt. Da die Sportler genau wie mit einem Produkt des täglichen Gebrauches direkten Körperkontakt haben, sind die Einordnungen der REACH-Verordnung und die damit verbundenen eklatanten Unterschiede in den Höchstwerten schwer zu verstehen. Auch die Bundesbodenschutzverordnung ist zu hinterfragen. Warum ist hier der zulässige Höchstwert für die Benzo(a)pyren-Belastung bei Sportplätzen 5mal höher als bei Spielflächen? Auf einem Kunstrasenplatz spielen doch auch schon kleine Kinder und die haben hier genauso Bodenkontakt wie auf dem Spielplatz.

Was man aber auch beachten sollte

Andererseits ist es natürlich auch sehr schwer nachweisbar, welche Belastung welche möglichen gesundheitlichen Folgen hat. Und man darf auch nicht außer Acht lassen, dass die PAK-Belastung kein kunstrasenplatzeigenes Problem ist. Autoabgase und Grillfleisch sind häufig ebenfalls sehr stark PAK-belastet, von Zigarettenrauch ganz zu schweigen. Heute diskutiert man auch über ein Rauchverbot im Auto, wenn Kinder darin sitzen, und eine Einigung ist nur schwer zu erzielen. Ein Sportplatz neben der Autobahn wird womöglich nur die Abgase mehr mit PAKs belastet als durch die Granulatverfüllung.  Und auch die Messmethoden sind häufig nicht ausgereift. Außerdem sind SBR-Granulate auch ein bisher gut geeigneter Weg Altreifen zu recyceln. Viele sinnvolle Alternativen dafür sind nicht wirklich vorhanden.

Ausblick

Letztendlich scheint es, dass für eine sichere Einschätzung der Lage noch weitere Untersuchungen erforderlich sind und bestehende Vorschriften und Regelungen noch überarbeitet werden müssen. Es ist aber auch so, dass das das SBR-Granulat nicht das einzige geeignete Granulat für Kunstrasenplätze ist. Als Alternativen stehen auch EPDM-, TPE-, PE Infill- und Korkerzeugnisse zur Verfügung. Diese sind zwar etwas teurer in der Anschaffung, aber PAK-spezifisch unbedenklich. Man könnte also SBR-Granulate auch einfach verbieten oder nicht mehr zulassen. Dies wäre womöglich der einfachste Weg, um die Angelegenheit zu beenden. Aber da ist die Interessenslage unterschiedlich. Letztendlich kann auch jeder Platzeigentümer unter Zuziehung aller Argumente selbst entscheiden, welches Granulat er zur Verfüllung eines Kunstrasens verwendet.

TT

Foto: TT

 

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