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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.02.2015 - Ausgabe: 1/2015

Sport und Bewegung in der Kommune gemeinsam planen und gestalten

Von Dr. Stefan Eckl, Institut für Kooperative Planung und Sportentwicklung, Stuttgart

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Haben wir zu viele oder zu wenig Sportstätten? Wie können wir unsere Sportvereine zukunftsorientiert aufstellen? Wie bringen wir Schulen und Vereine im Zuge der Ganztagsschule zueinander? Wie muss in Zukunft die Sportförderung gestaltet sein? Wie steuern wir effektiv die Belegung unserer Sporthallen? Welche Wünsche hat die Bevölkerung an die Sportvereine und an die Kommune?

Diese und ähnliche Fragen stellen sich sehr viele Kommunen, egal ob in einer kleinen Gemeinde mit 2.500 Einwohnern oder in einer Metropole. Die Kommunen stehen heute angesichts veränderter Sport- und Freizeitbedürfnisse der Bevölkerung, des demographischen Wandels und der Veränderungen in den Bildungssystemen (z.B. Ganztagsschule, Bewegungsförderung im Vorschulalter) zunehmend vor der Frage, ob der Sport in der Gemeinde noch zukunftsgerecht aufgestellt ist. Auf der einen Seite stehen die Forderungen der Sportvereine, der Schulen und teilweise von Freizeitsportlern, auf der anderen Seite haben die Kommunen immer weniger Geld zur Verfügung, um allen Bedarf befriedigen zu können.

Um diesem Dilemma zu entgehen, bietet sich eine kommunale Sportentwicklungsplanung an, die gemeinsam mit den relevanten Akteuren Leitlinien für die zukünftige Sportpolitik erarbeitet und konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen ableitet. Und dies nicht nur für die klassischen Bereiche wie etwa Schul- und Vereinssportanlagen, sondern die auch die Sport- und Bewegungsräume des Freizeitsports sowie Angebots- und Organisationsfragen behandelt.

Sportentwicklungsplanung bietet die Chance, rationale Entscheidungen zu treffen, die bedarfsorientiert und zugleich konsensual abgestimmt sind. Dies führt dazu, dass sowohl der „Sport“ als auch die kommunalpolitisch Verantwortlichen eine verlässliche Planungsgrundlage erhalten und somit Planungssicherheit für alle Akteure geschaffen wird.

 

Planungsansätze

Die Methodik, die mittlerweile zur Anwendung kommt, hat sich in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den 1970er und 1980er Jahren deutlich weiterentwickelt. So war in den 1970er Jahren noch der Goldene Plan das verbindliche Planungsinstrumentarium. Auf der Basis von Richtwerten (z.B. 4qm Sportplatzfläche pro Einwohner) konnte relativ einfach hochgerechnet werden, wie viele Sportstätten eine Gemeinde oder Stadt haben muss, um von einer guten Versorgungslage zu sprechen. Der Goldene Plan wurde nach 1990 in den neuen Bundesländern als Goldener Plan Ost weitergeführt, in den alten Bundesländern hat sich parallel dazu ein Wandel in der Betrachtungsweise ergeben.

Stärker als bisher rückten mit Beginn der 1990er Jahre Aspekte der Bedarfs- und Nachfrageorientierung in den Mittelpunkt der Methodendiskussion. Daraus ergaben sich zwei Planungsansätze, die zu Beginn noch eher getrennt zu betrachten waren, die jedoch im Laufe der Zeit zusammengeführt wurden. Zum einen wurde der Leitfaden für die Sportstättenentwicklungsplanung (BISp-Leitfaden) erarbeitet, der auf Grundlage des Sportverhaltens der Bevölkerung eine Berechnung des Sportstättenbedarfs ermöglicht. Im Vergleich zum Goldenen Plan werden hier keine Richtwerte eingesetzt, sondern das tatsächliche Sportverhalten der Bevölkerung als Grundlage genommen. Zum anderen wurde mit der Kooperativen Planung ein eher qualitativer und stärker bürgerbeteiligender Zugang entwickelt, um sportpolitische Leitlinien und konkrete Empfehlungen für den Sport auszuarbeiten.

Seit Anfang der 2000er Jahre ist die Kooperative Sportentwicklungsplanung (andere nennen sie „integrierte Sportentwicklungsplanung“ oder „problemorientierte Sportentwicklungsplanung“) fest in der Planungspraxis verankert. Nicht zuletzt das „Memorandum zur kommunale Sportentwicklungsplanung“, gemeinsam von Deutschen Olympischen Sportbund, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sportämter im Deutschen Städtetag und Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft erarbeitet und verabschiedet, bietet Kommunen, Sportvereinen und Sportverbänden eine sportwissenschaftliche Orientierungshilfe und formuliert qualitative Mindestanforderungen an die Bestandteile von Sportentwicklungsplanung.

 

Kooperative Sportentwicklungsplanung

Ausgehend von den Empfehlungen des „Memorandums für die kommunale Sportwicklungsplanung“ sollen Planungsprozesse in der kommunalen Sportpolitik sowohl quantitative und qualitative Bestands- und Bedarfsanalysen als auch rechnerische Bilanzierungen des Sportstättenbedarfs umfassen. Diese Daten sollen dann gemeinsam mit lokalen Experten in einem kooperativen Ansatz diskutiert und konkrete Ziele und Empfehlungen abgeleitet werden. Dieser Planungsansatz bildet die Grundlage der meisten kommunalen Sportentwicklungsprozesse in den vergangenen Jahren (siehe auch Abbildung 1 für den exemplarischen Ablauf einer kommunalen Sportentwicklungsplanung).

Grundlage bilden zunächst verschiedene Bestandsaufnahmen wie z.B. die Analyse der Mitgliederzahlen der Sportvereine, die Aufbereitung der Bevölkerungszahlen inklusive der Bevölkerungsprognose oder die Schülerzahlen. Auch eine vertiefende Analyse der kommunalen Sportförderung sowie die Sportstättenbestandes sind hier normalerweise notwendig.

Weiterhin sind verschiedene Bedarfsanalysen denkbar. Je nach Aufgabenstellung und Größe einer Kommune bieten sich verschiedene Analysen an, so etwa eine vertiefende Analyse der Bedarfe der Sportvereine, der Schulen und Kindertageseinrichtungen oder auch anderer Einrichtungen (z.B. gewerbliche Sportanbieter; andere Einrichtungen, die kommunale Sportanlagen nutzen). Nicht zuletzt kann die Bürgerschaft über eine Befragung – in der Regel schriftlich, zunehmend aber auch online, direkt in den Planungsprozess eingebunden werden und wertvolle Informationen für die Sportentwicklung liefern.

In einem weiteren Schritt ist die rechnerische Bestimmung des Sportanlagenbedarfs möglich. Auch hier bieten sich je nach Größe der Kommune bzw. abhängig von der Aufgabenstellung verschiedene Methoden an. Nicht zwangsläufig muss auf den BISP-Leitfaden zurückgegriffen werden, sondern v.a. in kleineren Gemeinden oder bei einer sozialräumlichen Betrachtung können auch andere Berechnungsverfahren zum Einsatz kommen.

 

Bürgerbeteiligung und Netzwerkansatz

Die Erarbeitung von sportpolitischen Zielen und konkreten Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung von Sport und Bewegung erfolgt kooperativ. Das bedeutet, dass die Bürgerschaft bzw. die relevanten örtlichen Institutionen direkt in die Zielformulierung einbezogen und gemeinsam Empfehlungen und Maßnahmen zur Zielerreichung festgelegt werden.

Im Kern der Kooperativen Planung steht eine lokale Planungsgruppe, der verschiedene Personen aus unterschiedlichen Funktionsgruppen angehören. Dies resultiert aus der Erkenntnis, dass komplexe Probleme nur durch Vernetzung lösbar sind. Neben den Vertretern des organisierten Sports, der im Rat vertretenen Fraktionen und Vertretern aus diversen Fachbereichen der Stadtverwaltung sind auch andere soziale Gruppen und Institutionen Mitglieder in der Planungsgruppe (z.B. Schulen, Kindertageseinrichtungen, offene Jugendarbeit, Seniorenvertretung, Vertretung von Migranten, Vertretung von Menschen mit Beeinträchtigungen, Gleichstellungsstelle, Volkshochschule) (siehe Abbildung 2).

In einem ersten Schritt werden die für die Sportentwicklung relevanten Fragestellungen sowie die Wünsche und Bedarfe aus Sicht der verschiedenen Funktionsgruppen ermittelt und anschließend nach ihrer Bedeutung und Wichtigkeit hierarchisiert. Danach werden die wesentlichen Themenbereiche auf der Basis der zur Verfügung stehenden Wissensquellen (z.B. Bevölkerungsprognosen, Angebotsanalysen) systematisch bearbeitet und in ein kommunales Gesamtkonzept überführt. In dieser Arbeitsphase geht es v.a. darum, die gemeinsamen sportpolitischen Ziele mit Inhalten zu füllen und bei Konflikten Konsenslösungen zu finden. Dieses Vorgehen wird auf die Sport- und Bewegungsräume und auch auf die Angebotsentwicklung und auf die Organisationsformen von Sport und Bewegung angewandt, so dass in der Schlussphase der Planung ein Maßnahmenkonzept steht, welches auf die lokalen Bedingungen abgestimmt ist. Dabei können u.a. Themen wie Fragen der Kooperation, Bildung von Sportzentren, Sportvereine und Ganztagesschule, (zukünftiger quantitativer und qualitativer) Sportstättenbedarf und eine Neuausrichtung der kommunalen Sportförderung behandelt werden. Mögliche Themen, die eine Sportentwicklungsplanung beinhalten können, sind in Abbildung 3 dargestellt.

Diese Konzeption sichert ein rasches und einheitliches Vorgehen bei minimalem Zeitaufwand. Für die Erarbeitung der sportpolitischen Zielsetzungen und Empfehlungen werden in der Regel ca. fünf bis sechs Arbeitssitzungen veranschlagt. Es empfiehlt sich, die Arbeitssitzungen (und auch alle Arbeitsschritte, die im Vorfeld notwendig sind), durch ein externes qualifiziertes Fachbüro begleiten zu lassen. Nur so ist gewährleistet, dass alle Bestands- und Bedarfsanalysen nach dem aktuell gültigen Stand der Technik durchgeführt werden, der gesamte Planungsprozess neutral und objektiv begleitet und moderiert wird und auch Erfahrungen aus anderen Städten und Gemeinden eingebracht werden.

 

Sportentwicklung – ein Thema nicht nur für (große) Städte

Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Größe der Kommune bei den Problemlagen eher nebensächlich ist. Kleine und große Kommunen weisen ähnliche Problemlagen auf, die sich vor allem in der Komplexität unterscheiden. Aus diesem Grund ist Sportentwicklungsplanung nicht nur für mittlere oder größere Kommunen geeignet, sondern auch für kleinere Gemeinden. Je nach Problemstellung kann ein solches Sportentwicklungskonzept unterschiedliche Aspekte des kommunalen Sportlebens abdecken. Das bedeutet, sich vor Beginn eines solchen Planungsprozesses bewusst zu machen, welche Herausforderungen im Raum stehen und welche Fragen ein Sportentwicklungsplan beantworten soll

 

Literaturempfehlungen:

WETTERICH, J., 20104:
Kooperative Sportentwicklungsplanung. In: RÜTTEN, A., NAGEL, S. & KÄHLER, R. (Hrsg.): Handbuch Sportentwicklungsplanung, S. 119-127.

WETTERICH, J., 2012:
Kooperative Sportentwicklungsplanung - eine Bilanz der vergangenen Jahre. In: Kleine, T., Pfitzner, M. & Wulf, O. (Hrsg.): Soziale Wirklichkeiten des Sports. Richtlinien - Sportentwicklung - Sicherheitsförderung. Horst Hübner zum 60. Geburtstag, S. 57-68. Münster: Lit.

ECKL, S. / SCHRADER, H. / WETTERICH, J., 2005:
Kooperative Sportentwicklungsplanung - die Zukunft des kommunalen Sports planen, in: GUGGEMOS, P. / THIELEN, A. (Hrsg.): Bürgermeister Handbuch. Professionelles Kommunal-Management, Band 1, Augsburg, Abschnitt 4-2.6, S. 1 - 17

 

 

Foto: Dr. Stefan Eckl / ikps

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