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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.04.2021 - Ausgabe: 2/2021

Alles aus einem Guss

Von Dipl.-Ing. Rainer Kronenberg, Landschaftsarchitekt BDLA

Photo
© Berliner Seilfabrik GmbH & Co

Mitten im Herzen des innerstädtischen Bezirks Neustadt-Süd liegt, umgeben von dichter Bebauung in altstädtischem Flair, der Kölner Rathenauplatz. Die über zwei Hektar große Fläche dient den Bewohnern des Kölner Stadtteils mit der höchsten Bevölkerungsdichte seit vielen Jahren als „grüne“ Anlaufstelle für Bewegung, Spiel und soziales Miteinander. Während der Platz im zentralen Bereich als Park- und Freizeitanlage genutzt wird, befinden sich an der Süd- und Nordseite städtische Kinderspielplätze und ein Bolzplatz, auf denen bei schönem Wetter auch gut und gerne mal 500 Kinder und Jugendliche spielen. 

Seit Herbst letzten Jahres ragt ein über neun Meter hoher, spektakulärer Kletterturm in die Luft am Rathenauplatz in Köln und „dreht“ sich mit seiner der DNA-Struktur ähnlichen Anmutung zwischen den umliegenden Bäumen in die Höhe. Der Aufstieg erfolgt über ein dreidimensionales Netz aus Seilen im Innern des Turmes, bevor die Tunnelrutsche für den rasanten Abgang sorgt. Unten angekommen führt der Weg unmittelbar in die riesige Spielskulptur Shout. Ganz in Pastelltürkis schlängeln sich die gebogenen Stahlrohre, welche den Rahmen für Flächennetze mit unterschiedlichen Maschenweiten bilden, über den nördlichen Teil des Rathenauplatzes. Wie in einem Meer aus Seilen kann hier auf unterschiedlich hohen und teilweise schräg verlaufenden Flächennetzen geklettert, balanciert und gehangelt werden. Auf dem „Weg durch die Wellen“ kann man immer wieder ergänzende Spielfunktionen entdecken: Nestschaukeln, Netztrichter, Kletterseile, Kletterteller, Gummimembrane und sogar eine integrierte Hangelleiter für Calisthenics-Übungen machen dieses neue Spielgerät zu einer der abwechslungsreichsten Kletterskulpturen der Stadt. Am südlichen Ende des Klettergerätes angekommen, findet man über ein gedrehtes Flächennetz den direkten Weg zurück in den Turm, ohne dabei den Boden berühren zu müssen. 

Dies alles ist Ergebnis eines konzentrierten und engagierten Erneuerungsprozesses im Auftrag der Stadt Köln, insbesondere des Amtes für Kinder, Jugend und Familie Abteilung für Kinderinteressen und Jugendförderung, in Kooperation mit dem Bürgerzentrum und Anwohnern des Rathenauplatzes, sowie dem Landschaftsarchitekturbüro Kronenberg, der im Frühjahr 2019 seinen Anfang nahm. 

Nachdem bei Untersuchungen der Spielplatzflächen festgestellt worden war, dass die obere Bodenschicht der Wegeflächen teilweise aus aufgefülltem Material bestand, das mit Schwermetallen, insbesondere Blei, belastet war, musste der Spielplatz geschlossen und von Grund auf saniert werden. Da es sich beim Rathenauplatz um einen zentral gelegenen, innerstädtischen Platz handelt, der für sehr viele Anwohner unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Bedürfnissen eine wichtige Freizeit- und Erholungsumgebung im Alltag darstellt, galt es von Anfang an, eine Lösung zu entwickeln, die einerseits den unterschiedlichen Ansprüchen der Nutzer gerecht würde und sich gleichzeitig möglichst schnell umsetzen ließe, um den Platz nicht allzu lange geschlossen halten zu müssen.

Der Weg führte über die frühzeitige Einbindung der unterschiedlichen Interessensgruppen in den Erneuerungsprozess des Spielplatzes im Rahmen einer Kinder- und Anwohnerbeteiligung. Bei zwei Treffen des Amtes für Kinderinteressen mit über 100 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus der umliegenden Nachbarschaft auf dem Rathenauplatz wurden Interviews geführt, es wurde gebrainstormt, diskutiert, gezeichnet und gemalt. 

Die Auswertung der Ergebnisse brachte klare Erkenntnisse. So wünschten sich die Beteiligten einen Spielplatz, der einerseits den Bedürfnissen von Kleinkindern gerecht würde und andererseits ein attraktives Bewegungsangebot für ältere Kinder bereitstellen sollte. Folgerichtig entschied man sich an diesem Punkt für zwei unterschiedliche Spielbereiche. Auf dem südlichen Teil des Rathenauplatzes sollte der Kleinkind- und Familienbereich mit attraktiven Bewegungsmöglichkeiten und Wasserspielplatz für die Altersgruppe U3 bis 6 Jahren sowie adäquaten Sitz- und Aufenthaltsgelegenheiten für Eltern entstehen. Der ca. 3.000 m² große nördliche Bereich des Platzes sollte zukünftig den „Großen“ gehören. Der Wunsch der älteren Kinder und Jugendlichen war es, auch mal „ungestört“ von Erwachsenen spielen, in die Höhe klettern wie auf Bäumen, sporttreiben und chillen zu können. 

Bei der Wahl der Spielgeräte für diesen Bereich galt es demnach ein spektakuläres Bewegungsangebot zu schaffen, das genügend Herausforderungen und Abwechslungsreichtum bietet, um auch für ältere Kinder maximal attraktiv zu sein. Gleichzeitig galt es dem Rathenauplatz und seiner Bedeutung als zentral gelegenem, innerstädtischem Platz gerecht zu werden. Die neuen Spielgeräte sollten nach Möglichkeit eine skulpturale Note implizieren, sie sollten Kunstwerk und Spielgerät zugleich sein.

Schnell fiel die Wahl auf den DNA Tower aus dem Hause des Spielgeräteherstellers Berliner Seilfabrik. Nicht nur, weil er ein besonders spannendes Bewegungsangebot bietet, sondern auch, weil dieser durch sein modernes und skulpturales Design die gewünschte Frische auf den Platz bringt. Ähnlich einer DNA-Struktur wächst die Spielskulptur rotierend in die Höhe. Die organischen Formen der runden Rohre und Kugeln in den Farbtönen grün und beige passen optisch gut in das Gesamtbild des mit Bäumen bepflanzten Platzes. Obwohl der Turm ein beachtliches Spielvolumen von 82 m3 bereithält, in dem bis zu 65 Kinder gleichzeitig Platz zum Klettern finden, wirkt er durch seine offene Fassadengestaltung sehr transparent. So bleibt der Spielplatz nicht nur hell und offen, sondern es entsteht zudem ein interessantes Wechselspiel aus Licht und Schatten auf dem Boden des Rathenauplatzes.

Ein wichtiger Aspekt für die Attraktivität und den Aufforderungscharakter bei Raumnetzgeräten wie diesem liegt in der Möglichkeit, in die Höhe klettern zu können ohne auf zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie z. B. Klettergurte zurückgreifen zu müssen. Raumnetzgeräte sind so konstruiert, dass ein Fall oberhalb der maximalen freien Fallhöhe immer durch das darunterliegende Netz abgefangen wird. Gleichzeitig lernen Kinder und Jugendliche beim Klettern etwas über Risikoeinschätzung und ihre eigenen Grenzen. So muss ein Kind selbst abschätzen, was es sich zutraut und wie es mit Angst in schwierigen Situationen z. B. aufgrund von Höhe umgeht. Ein Erfolgserlebnis wirkt sich dabei unmittelbar positiv und motivierend auf Selbstvertrauen sowie Selbstsicherungsfähigkeit aus. 

Im nächsten Planungsschritt stellte sich die Frage, wie das Design des Kletterturmes in der Ebene fortgeführt werden könnte. Eine zu additive Gestaltung, bei dem das Raumnetzgerät durch weitere freistehende Geräte ergänzt werden würde, sollte definitiv vermieden werden, um den skulpturalen Charakter des Spielbereiches beizubehalten. Gleichzeitig galt es den Spielwert hoch zu halten und möglichst viele zusätzliche und attraktive Bewegungsmöglichkeiten anzubieten. 

Die Lösung lag in der maßangefertigten Shout-Struktur, die an den Turm angeschlossen ist. Neben dem umfangreichen Spiel-, Sport und Chill-Angebot, welches die Skulptur auf ihren Flächennetzen mit Höhenunterschieden bis zu knapp drei Metern und den zahlreichen Anbauelementen bietet, besticht sie durch ihr futuristisches Design. Insgesamt 110 Meter Rohr winden und verdrehen sich über 300 m2 am Rathenauplatz. Entscheidend für das integrative Design zwischen Kletterturm und Shout-Struktur war, neben der einheitlichen Farbgebung, die Einhaltung des gleichen Durchmessers der Rohre von 133 mm. So entsteht der Eindruck eines fließenden Übergangs zwischen den Geräten. 

Der abstrakte Charakter der Spielskulptur wirkt sich auch unmittelbar auf den Spielwert aus: Indem kein bestimmtes Thema vorgegeben wird, haben die Kinder die Möglichkeit ihre eigenen Spielideen zu verwirklichen und immer wieder neu zu definieren. Mal ist der Shout ein Schiff auf hoher See, mal eine Dschungelbrücke, die es zu überwinden gilt und ein andermal vielleicht ein Riesendrache, auf dessen Rücken es durch die Lüfte geht – hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Nach einer intensiven und konstruktiven Designphase mit der Berliner Seilfabrik, dem Amt für Kinderinteressen und Jugendförderung der Stadt Köln und dem Büro Kronenberg konnte der finale Entwurf den Mitgliedern der Bürgerbeteiligung, als auch den Entscheidern bei der Stadt Köln präsentiert werden und stieß auf Begeisterung. Trotz des erheblichen finanziellen Aufwandes, der sowohl für die Entgiftung des Platzes als auch für die Spielgeräte aufzubringen war, bewilligte die Stadt Köln die notwendigen Mittel und zeigte damit auf eindrucksvolle Weise, welch hohen Stellenwert die Bedürfnisse der Kinder, Jugendlichen und Familien in der Stadt haben. 

Der Planungsphase folgte eine intensive Bauphase. In rekordverdächtiger Zeit wurden zwischen Februar und Oktober 2020 nicht nur ca. 3000 Kubikmeter belastetes Erdreich erneuert, sondern es ist auch ein beeindruckender Spielplatz entstanden. 

 

  

Weitere Informationen:

Landschaftsarchitektur-Büro Kronenberg

Landschaftsarchitekt  AKNW

An der Sülz  22 A, D- 51789 Lindlar

www.kronenberg.de  

 

 

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