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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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16.10.2017 - Ausgabe: 5/2017

Schulhöfe bewegungsfreundlich gestalten

Melanie Kopp, Anke Hanssen-Doose, Annette Worth
(Pädagogische Hochschule Karlsruhe)

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Bewegung ist wichtig für eine gelingende Gesamtentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Die Relevanz der Bewegung wird zunehmend auch für das schulische Lernen und den Schulerfolg diskutiert, da Bewegung, Spiel und Sport auch konkret die kognitive Entwicklung unterstützen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Bewegungsfreundlichkeit von Schulen insgesamt.

 

Studienergebnisse zur Bewegungsfreundlichkeit von Schulen

Im Rahmen der Motorik-Modul-Studie[1] (MoMo, s. www.motorik-modul.de) werden seit 2003 fortlaufend deutschlandweit Daten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen hinsichtlich ihrer körperlich-sportlichen Aktivität, körperlichen Fitness und Gesundheit erhoben. In der Erhebungswelle von 2009 bis 2012 wurden insgesamt 1.955 Kinder und Jugendliche aus der Primar- und Sekundarstufe I im Alter von 6 bis 16 Jahren zu den Voraussetzungen für Bewegung an ihrer Schule befragt, die sie aus der eigenen Perspektive mit "sehr gut“, „eher gut“, „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ bewerten sollten.

Die Ergebnisse zeigen für die Kinder aus der Primarstufe (796), dass die Voraussetzungen von einem Großteil (94%) als eher bewegungsfreundlich eingeschätzt werden. Nur 6 % der Kinder aus der Primarstufe beurteilen diese als eher schlecht bis sehr schlecht. Mit zunehmendem Alter werden die Bewegungsmöglichkeiten an Schulen als weniger gut wahrgenommen. Zwar bewertet in der Sekundarstufe I von den 1.159 befragten Schülerinnen und Schülern immer noch ein Großteil (84%) die Voraussetzungen als sehr gut oder eher gut, aber der Anteil derjenigen, die sie als eher schlecht bis sehr schlecht bewerten, ist mit 16 % deutlich höher als im Grundschulbereich (s. Abb. 1). Dies bedeutet, dass knapp jede/r Fünfte in der Sekundarstufe 1 mit den Voraussetzungen für Bewegung, Spiel und Sport an Schulen unzufrieden ist

In den letzten 10 bis 15 Jahren wurden viele Anstrengungen unternommen, um die Voraussetzungen für Bewegung an den Schulen in Deutschland zu verbessern [1]. Dennoch zeigen die Ergebnisse der MoMo-Studie, dass es in Bezug auf die Bewegungsfreundlichkeit von Schulen noch „Luft nach oben“ gibt.

 

Der Schulhof als Bewegungsraum

Die Voraussetzungen für Bewegung beziehen sich auf die Schule als Ganzes und hängen von der Raumgestaltung und Raumnutzung ab. Ein wichtiger Raum für Bewegung ist der Schulhof. Die Zeiten, in denen in Deutschland Schulhöfe lediglich aus großen geteerten Flächen bestehen, sind weitestgehend vorbei. Die heutigen Schulhöfe bieten zumeist auf den ersten Blick viele Angebote für Bewegung, Spiel und Sport.

Schülerinnen und Schüler erfahren durch den Raum Schutz und Geborgenheit, aber werden aufgrund der Raumbeschaffenheit, der Materialien und des Lernarrangements auch gefordert und gefördert. Die Wandelbarkeit eines Raumes spielt eine bedeutsame Rolle [2], auch um neue (Bewegungs-)Anreize zu schaffen. Dies kann  beispielsweise durch Steine und Holzabschnitte zum Transportieren oder durch wandelbare Spielgeräte geschaffen werden. Die Aneignung des Raumes findet naturgemäß durch Bewegung mit dem eigenen Körper im Gehen, Laufen, Klettern, Hüpfen, Tasten statt. Die Art und Weise der Raumaneignung hängt stark von Alter und Geschlecht sowie weiteren kulturellen, gesellschaftlichen und individuellen Faktoren ab. Der natürliche Bewegungsdrang und die bewegungsbezogenen Interessen verändern sich mit dem Alter. Kinder spielen gerne Spiele mit einfachen und übersichtlichen Regeln wie Hüpfspiele, Fangspiele oder Rollenspiele und für Jugendliche dürfen es etwas komplexere Spiele sein wie Streetball oder Beachvolleyball. Jungen sind gegenüber Mädchen offener in der Aneignung freier Räume und fühlen sich in kleineren Räumen schneller „eingeengt“ als Mädchen. Sie bevorzugen freie Flächen wie z. B. beim Fußball oder Brennball, was sich auch im Erkundungsdrang und dem Ziel zeigt, Neues zu entdecken. Dies kann durch eine abwechslungsreiche und phantasievolle Spiel- und Bewegungswelt erreicht werden. Mädchen nutzen den Raum weniger körperlich aktiv. Dafür gestalten sie den Raum gerne um, um neue Erfahrungen zu sammeln. Hierfür bieten sich austauschbare Spielgeräte, Blumen, Sträucher und Hecken sowie Rückzugsmöglichkeiten an. Zusammenfassend weisen Mädchen eine stärkere Personenorientierung und Jungen eine stärkere Sachorientierung auf. Mädchen spielen häufiger in altershomogenen Gruppen, Jungen demgegenüber vermehrt in altersheterogenen, größeren Gruppen [3].

 

Nutzung des Schulhofs als pädagogischen Raum

Die Schule wird insgesamt immer mehr als Lebens-, Lern- und Erfahrungsraum der Schülerinnen und Schüler anerkannt. Daraus ergeben sich verschiedene Anforderungen an die Gestaltung und Nutzung des Schulhofs. Um als pädagogischer Raum gut nutzbar zu sein, sollte ein Schulhof neben einem Bewegungs- und Spielraum auch einen Arbeits- und Erholungsraum beinhalten. Attraktive, multifunktionale Schulhöfe mit abgegrenzten Zonen für eine körperlich-sportliche Aktivität sowie naturnahe „grüne Zonen“ werden von Kindern und Jugendlichen de facto vielfältiger und intensiver genutzt als ungestaltete Schulhöfe [4]. Bewegungsanregende, variabel zu nutzende Gestaltungselemente fördern die motorische und soziale Entwicklung und tragen zu einer gesteigerten körperlich-sportlichen Aktivität der Schülerinnen und Schüler bei. Die Möglichkeit sich zurückzuziehen und Entspannungsmomente zu erleben ist auch in Bezug auf die zeitliche Ausdehnung der Schulzeit mit der Ganztagsschule wichtig – ebenfalls die Möglichkeit zur ungestörten Interaktion mit Mitschülerinnen und Mitschülern. Die Anforderung, als Arbeitsraum nützlich zu sein, bedeutet Flächen für Theorie-Praxis-Vermittlung zu schaffen (Werkstatt, Arbeitsflächen, Schulgarten etc.) sowie geeignete schattige Plätze für den Outdoor-Unterricht zu bieten.

 

(Um-)Gestaltung des Schulhofs

Bei der (Um-)Gestaltung eines Schulhofes sind unter anderem folgende Punkte zu berücksichtigen [1, 5]:

  • Veränderbarkeit, Multifunktionalität und Einfachheit des Schulhofes
  • altersgerechte sowie altersübergreifende Bewegungsangebote
  • vielfältige und anregende Bewegungsanlässe zur Förderung der motorischen Entwicklung (Balancieren, Klettern, Hangeln etc.) und unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten (Asphalt, Rindenmulch, Natursteine, Holz, Gras etc.) sowie abwechslungsreiches Gelände (Hänge, kleine Hügel, ebene Flächen etc.)
  • Orientierung an den Interessen von Jungen und Mädchen, z. B. durch die Möglichkeiten zum freien Spiel und für organisiertes Großgruppenspiel
  • Nutzbarkeit als Arbeitsraum
  • Integration von naturnahen Erholungsräumen, z. B. durch Hängematten
  • Angebote zur Förderung der Sinne und der Wahrnehmung, z. B. durch einen Barfußpfad

 

Daneben gilt es, die existierenden gesetzlichen Regelungen und Normen zu beachten.

Diese unterschiedlichsten Anforderungen können bei einer konkreten (Um-) Gestaltung des Schulhofes optimal aufgegriffen werden, wenn sowohl fachliches Know-how und Produktkenntnisse als auch Kenntnisse der Regeln und Normen und die Interessen der Beteiligten – insbesondere der Schülerinnen und Schüler –  Berücksichtigung finden. In der Regel ist hierfür ein Steuerungsteam notwendig, welches das Vorhaben durch seine verschiedenen Phasen hindurchbegleitet, wie von Ungerer-Röhrich und Bodner als bewegte Schulentwicklung beschrieben [6]. Alle Nutzergruppen sollten einbezogen werden, damit neben der Sichtweise und den Nutzungsinteressen von Schülerinnen und Schülern auch jene der Lehrkräfte, Hortmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, Förderlehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern sowie der Hausmeister einfließen können. Die Orientierung an den Bedürfnissen und konkreten Interessen der Schülerinnen und Schüler ist nur möglich, wenn diese von Anfang an mit einbezogen werden, z. B. durch Befragungen und Begehungen, Zeichnungen oder Bilder, Peer-to-Peer-Interviews oder nonverbalen Verfahren. Das Steuerungsteam entwickelt dann auf Basis der erhobenen Daten verschiedene umsetzbare Vorschläge unter Berücksichtigung der allgemeinen Anforderungen, der örtlichen Gegebenheiten sowie des Budgets.

 

Fazit

Die Planung und Umsetzung eines bewegungsbezogenen, anregenden und pädagogisch umfassend zu nutzenden Schulhofes ist ein spannender Prozess, bei dem unterschiedliche Expertisen benötigt werden. Die Gestaltung des „Wunschschulhofes“ bedarf einer größeren und umfangreicheren Planung als die Gestaltung des „erstbesten“ Schulhofs „von der Stange“, denn er berücksichtigt die Wünsche und Visionen, Bedürfnisse und Interessen aller Nutzenden (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und pädagogisches Personal sowie Hausmeister). Wenn der Schulhof als Teil der bewegten Schulentwicklung gesehen wird und zum Schulprofil passt, ist er ein Aushängeschild der pädagogischen Arbeit an der Schule. Die Belohnung für diesen zeitlichen und finanziellen Aufwand für eine (Um-)Gestaltung spiegelt sich wider in der verstärkten Nutzbarkeit und tatsächlichen Nutzung bis hin zur gesteigerten Bewegungsfreude der Kinder und Jugendlichen in der Schule.

 

Quellen:

[1] Coenen, G. (2007). Bewegungsraum Schulhof. In R. Hildebrandt-Stramann (Hrsg.), Basiswissen Didaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts: Vol. 8. Bewegte Schule - Schule bewegt gestalten. Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren. 292–302

[2] Nissen, U. (1998). Kindheit, Geschlecht und Raum: sozialisationstheoretische Zusammenhänge geschlechtsspezifischer Raumaneignung. Beltz Juventa.

[3] Schäfer, G. E., & Schäfer, L. (2009). Der Raum als dritter Erzieher. Schularchitektur im interdisziplinären Diskurs, 235-248.

[4] Zierer, K. (2003). Grundschule als pädagogisch gestalteter Lebensraum: am Beispiel: Aussenanlagen. Schneider-Verlag Hohengehren.

[5] Worth, A. (2005). Mehr Bewegungs- und Erfahrungschancen durch Schulhofgestaltung.

Grundschule. (12), 32–35.[6] Ungerer-Röhrich, U. & Bodener, L. (2012). Bewegte Schulentwicklung. Sportunterricht (63), 5, 136–142

 

Foto: BSW

 

[1] “Diese Arbeit ist im Forschungsprojekt Motorik-Modul „Physical activity and physical fitness as determinants of health in children and adolescents“ entstanden. Das Verbundvorhaben zur Entwicklung von Motorik und körperlich-sportlicher Aktivität bei Kindern und Jugendlichen wird unter dem Förderkennzeichen 01ER1503 innerhalb des Förderprogramms Langzeituntersuchungen in der Gesundheitsforschung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Laufzeit 2009–2021).”

 

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