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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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22.08.2014 - Ausgabe: 4/2014

Bestandsschutz: aktueller Sicherheitsstandard auf dem Spielplatz?

von Friedrich Blume (Dipl.- Ing.), (Sachverständiger für Spielplätze, Deula Westfalen-Lippe GmbH)

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Unter Bestandsschutz versteht man Regelungen in Gesetzen oder Verträgen, wonach Rechtsverhältnisse unverändert bestehen bleiben, sofern sie bereits vor einer verschärfenden gesetzlichen oder vertraglichen Neuregelung bestanden haben.


„Aber das ist doch noch gut…“! So oder so ähnlich lautet in der Regel der Einwand von Spielplatzbetreibern, gesetzt dem Fall, dass man als Spielplatzprüfer an älteren Geräten Umbauten als erforderlich ansieht. Dieser Einwand ist aus Sicht der Spielplatzbetreiber durchaus nachvollziehbar, da die Spielplatzgeräte älteren Baujahres auch jahrelang, in der Form wie sie damals produziert worden sind, betrieben werden konnten. Demzufolge gab es in der Übergangszeit von der alten DIN 7926 zur ersten Version der DIN EN 1176 immer wieder Diskussionen, ob bzw. wann ältere Spielplatzgeräte umgerüstet, das heißt auf einen aktuelleren Sicherheitsstandard angepasst, werden mussten.

Dahingehend hat sich der Arbeitsausschuss Spielplatzgeräte beim Deutschen Institut für Normung (DIN) erstmalig im Jahr 2003 im Beiblatt zur DIN EN 1176 zur so genannten Bestandsschutzregelung geäußert. Ebenso findet sich im aktuellen Beiblatt zur DIN EN 1176 vom Januar 2009 eine etwas detailliertere Erläuterung zum Bestandsschutz von Spielplatzgeräten älteren Baujahres bzw. früherer Normenreihen. In dieser Darstellung hat sich der Arbeitsausschuss auch erstmalig auf einen Gültigkeitszeitraum der alten DIN 7926 festgelegt.

Somit lautet die aktuelle Regelung zum Bestandsschutz wie folgt:
„So ist die von 1985-1998 geltende DIN 7926 weiterhin Sicherheitsmaßstab für die Produktion aus dieser Zeit, die Geräte sind zur weiteren Benutzung grundsätzlich geeignet. Es hat sich aber gezeigt, dass bei einigen dieser Norm entsprechenden Geräten die nach neueren Sicherheitserkenntnissen geforderten Maße zum Schutz vor Fangstellen wie z.B. für Kleidung und für den Hals nicht erfüllt sind. In solchen Fällen sollten die Geräte entsprechend der DIN EN 1176: 2008 - 08 nachgerüstet werden."

Dieser Passus sagt demzufolge in eindeutiger Weise aus, dass sämtliche Geräte, die den Anforderungen der DIN 7926 entsprechen, weiterhin auf den Spielplätzen betrieben werden können. Allerdings müssen diese Geräte heutzutage auch dahingehend geprüft werden, ob sie zum Beispiel Fangstellen für die Kleidung (Prüfkörper für Kordelfangstellen) oder für den Hals (Prüfschablone zur Feststellung von Fangstellen für Kopf und Hals in teilweise umschlossenen und V-förmigen-Öffnungen (Fisch)) vorweisen. Für den Fall, dass diese Gefahrenstellen an den Spielplatzgeräten existieren, müssen auch die Spielplatzgeräte aus der Baureihe nach der DIN 7926 auf den aktuellen Stand der Technik umgerüstet werden.
Jedoch sollte man an dieser Stelle berücksichtigen, dass die obige Passage aus der Norm nur beispielhafte Aufzählungen für Fangstellen angibt. Unter Umständen könnte diese beispielhafte Aufzählung auch noch erweitert werden.

Beispiel Rutsche

Nun kommt es aber bei Spielplatzgeräten im Laufe der Zeit immer mal wieder dazu, dass verschlissene oder defekte Bauteile ausgetauscht bzw. ersetzt werden müssen. Auch dahingehend gibt es in der aktuellen Bestandsschutzregelung eine Aussage des Arbeitsausschusses Spielplatzgeräte.
„Bei Änderungen oder Reparaturen von Geräten, die mit früheren Normenteilen übereinstimmen, ergibt sich folgende Situation: Werden nur einzelne Teile ersetzt, sowie die notwendige Sicherheit dadurch wiederhergestellt. Werden jedoch vollständige Bauelemente (zum Beispiel Brüstungselemente) ausgetauscht, so muss die neue, derzeit gültige Norm für das Austauschelement erfüllt werden."

Soweit der Text aus der Norm. Leider etwas umständlich beschrieben und von daher ist es vielleicht besser, den Sachverhalt an einem praktischen Beispiel darzustellen.
Nehmen wir meine Lieblingsrutsche als Beispiele (Foto 1).
Vorab folgende Eckdaten zu dieser Rutsche:
1. Freie Fallhöhe vom Einsitzteil aus gemessen: 2,0 Meter
2. Höhe der Seitenbrüstung im Einsitzteil: 50 cm
3. Sprossenabstand an der Leiter: 20 cm
4. Bodenmaterial im Bereich der Aufprallfläche: Rasen

Für das geschulte Auge handelt es sich bei dieser Rutsche offensichtlich um ein Gerät, welches den Anforderungen der DIN 7926 entspricht und auch zum damaligen Zeitpunkt nach den Kriterien dieser Norm aufgestellt worden ist. Würde man ausschließlich die DIN 7926 als Grundlage zur Beurteilung heranziehen ergäben sich keinerlei normativen Abweichungen. Zum damaligen Zeitpunkt war Rasen als Fallschutzmaterial bis zu einer freien Fallhöhe von 2,0 Meter zugelassen
Aufgrund verschiedenster Gerichtsurteile ist man jedoch in Sachverständigenkreisen inzwischen dazu übergegangen, den Bestandsschutz für Böden nach den Vorgaben der DIN 7926 nicht mehr zu gewährleisten. Demzufolge ergäbe sich bei der Beurteilung dieser Rutsche zum heutigen Zeitpunkt lediglich der Sachverhalt, dass das Fallschutzmaterial im Aufprallbereich der Rutsche nicht mehr ausreichend ist und geändert werden müsste.

Bei durchzuführenden Reparaturen an der Rutsche sähe der Sachverhalt wie folgt aus:
Nehmen wir einmal an, dass an dieser Leiter zwei oder drei Sprossen durchgerostet sind und ausgetauscht werden müssen. Nach der aktuellen Bestandsschutzregelung könnte man die defekten Sprossen Eins zu Eins austauschen, das heißt, man hat wiederum einen Sprossenabstand von 20 cm, wobei dieses Öffnungsmaß nach aktuell gültiger Norm eine Kopffangstelle darstellen würde.
Sollten jedoch an dieser Leiter mehrere Sprossen und möglicherweise ein Leiterholm durchgerostet sein, so dass der Betreiber des Spielplatzes sich dazu entschließt eine komplette neue Leiter zu installieren, so müsste diese neue Leiter den Anforderungen der aktuell gültigen DIN EN 1176 entsprechen. Somit wäre ein Sprossenabstand von 20 cm nicht mehr zulässig. Der Abstand der einzelnen Leitersprossen zueinander dürfte keine Kopffangstellen darstellen, d.h. hier wäre ein Öffnungsmaß von über 23 cm erforderlich.

Vom Prinzip her lässt sich dieser Sachverhalt auch auf andere Bauteile an Spielplatzgeräten übertragen. So könnten an einer Brüstung (Absturzsicherung), welche nach den Anforderungen der DIN 7926 produziert worden ist einzelne Brüstungsleisten ausgetauscht werden. Sollten jedoch an diesen "Altgeräten" komplette Brüstungselemente ausgetauscht oder ersetzt werden, so müssen diese Brüstungen ebenfalls den Anforderungen der aktuell gültigen DIN EN 1176 entsprechen. Diese Vorgehensweise bezieht sich jedoch nur auf das Bauteil, welches ausgetauscht worden ist. Eine Umrüstung des kompletten Spielplatzgerätes auf die Anforderungen der DIN EN 1176 wird nicht eingefordert.

Sämtliche Spielplatzgeräte, die vor dem Erscheinen der DIN 7926 (1985) hergestellt bzw. aufgestellt wurden, genießen keinen Bestandsschutz (Foto 2, 3, 7, 8, 9, 11). Die Argumentation, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine Normen gab, an die sich möglicherweise ein Hersteller hätte halten können, würde im Falle eines Gerichtsverfahrens nicht berücksichtigt werden. Sollten diese Geräte jedoch rein zufälligerweise den Anforderungen der alten DIN 7926 oder sogar der aktuellen DIN EN 1176 entsprechen, können sie auch weiterhin betrieben werden (Foto 5).
Weiterhin besteht auch die Möglichkeit, dass Spielplatzgeräte, welche den Anforderungen der DIN 7926 entsprechen, an einem anderen Standort umgesetzt werden. Die Geräte an sich genießen weiterhin Bestandsschutz, lediglich die Anforderungen an das Fallschutzmaterial und die Größe der Aufprallflächen sind nach den aktuell gültigen Regelungen der DIN EN 1176 anzufertigen.

Soweit die Mindestanforderung zur Bestandsschutzregelungen aus dem aktuell gültigen Beiblatt zur DIN EN 1176. Demzufolge ist derjenige der sich an die oben genannten Regelungen des Bestandsschutzes hält grundsätzlich gesehen auf der sicheren Seite. Da ich als Verfasser dieses Artikels, Seminarleiter an der DEULA Westfalen-Lippe, Sachverständiger für Spielplätze und Mitarbeiter beim DIN grundsätzlich möchte, dass alle Personen, die im Bereich der Spielplatzsicherheit tätig sind, nach "getaner Arbeit" mit einem guten Gefühl und ruhigen Gewissen "nach Hause gehen können" , nachfolgend jedoch einige Empfehlungen in eigener Regie:

Nehmen wir einmal an, dass sich an einem Spielplatzgerät, welches den Anforderungen der DIN 7926 entspricht, ein schwerer oder gar tödlicher Unfall ereignet, wird es zwangsläufig zu einem Gerichtsverfahren kommen, in welchem versucht wird die Schuldfrage zu klären.
Sollte sich in diesem Gerichtsverfahren der Sachverhalt ergeben, dass sich der Unfall hätte vermeiden lassen, wenn das Gerät den aktuellen Anforderungen der DIN EN 1176 entsprochen hätte, stellt sich die Frage, ob es für den Betreiber des Spielplatzes zumutbar gewesen wäre, das Gerät nach den Anforderungen der neuen DIN EN 1176, welche einen höheres Maß an Sicherheit bietet, umzubauen (siehe hierzu §823 BGB-Verkehrssicherungspflicht/Zumutbarkeit).
Die Antwort auf diese Frage möge sich jeder Spielplatzbetreiber selber geben. Schließlich und endlich müssen wir uns einfach eingestehen, dass wir uns mit der aktuellen Bestandsschutzregelung auf normative Sicherheitsvorschriften berufen, welche seit inzwischen über 15 Jahren bei der Produktion von Spielplatzgeräten nicht mehr angewandt werden.

Dahingehend empfehle ich sowohl in meinen Schulungen als auch in meinen Gutachten und Prüfberichten den Betreibern von Spielplätzen dringend nachfolgende Überlegungen anzustellen.
1. Die Spielplatzgeräte, welche nach den Regelungen der DIN 7926 produziert und aufgestellt worden sind haben inzwischen mindestens 15 Jahre "auf dem Buckel". Demzufolge sollte man überlegen, ob aufwändigere Reparaturen an diesem "alten Möhrchen" unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten überhaupt noch lohnenswert sind. Schließlich und endlich halten auch Spielplatzgeräte nicht ewig und sollten nicht durch endlose Reparaturen und Flickarbeiten "künstlich am Leben gehalten werden".
2. Sollte sich bei der ersten Überlegung herausstellen, dass ein entsprechender Umbau unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnenswert ist, empfehle ich den Betreibern das Gerät in seiner Gesamtheit auf die Anforderungen der aktuell gültigen DIN EN 1176 umzubauen bzw. umbauen zu lassen. Im Grunde genommen hat man bei einer Anpassung von Leitern, Treppen, Netzkonstruktion und Brüstungselementen schon einen Großteil der notwendigen Arbeiten erledigt. Diese Arbeiten sollten jedoch nur nach Rücksprache mit dem Hersteller oder einer dazu befähigten Person durchgeführt werden (DIN EN 1176 Teil 7 Pkt. 8.2.9 Geräteänderungen).

Abschließend bleibt zu bemerken, dass auch im Arbeitsausschuss Spielplatzgeräte beim Deutschen Institut für Normung zurzeit die Überlegung angestellt wird, ob die Bestandsschutzregelung wie sie sich im Augenblick darstellt, aufgrund aktueller Gerichtsurteile, noch dauerhaft gewährleistet werden kann.


Fotos: Friedrich Blume

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